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31. März 2025

Kirchen als Erinnerungsorte Kirchen als Erinnerungsorte

Tagungbericht zu "Kirche weitergebaut" am 24.03.2025 in der Reinoldikirche in Dortmund und der Katholischen Akademie Schwerte

Am 24.03.25 fand die Tagung mit Workshop zum Thema „Kirchen als Erinnerungsorte“ statt.

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IMG_3370.JPG © Stefanie Lieb
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Am 24.03.25 hat die Katholische Akademie Schwerte in Kooperation mit dem Bereich Bauen des Erzbistums Paderborn, der TU Dortmund und dem DFG-Forschungsprojekt TRANSARA zu einer Tagung mit Workshop zum Thema „Kirchen als Erinnerungsorte“ eingeladen. Der Start war vormittags in der Reinoldikirche in Dortmund mit einem Workshop, der, nach einer Begrüßung von Studienleiterin Prof. Dr. Stefanie Lieb, von Prof. Dr. Barbara Welzel von der TU Dortmund geleitet wurde. Nach einer Vorstellung der vielen mittelalterlichen Erinnerungsorte im Kirchenraum wie z. B. dem Altarretabel von 1420 aus einer belgischen Kunstwerkstatt oder dem frühneuzeitlichen Chorgestühl, in dem während der damaligen Gottesdienste die Dortmunder Ratsherren Platz nahmen, wies Barbara Welzel auch auf die massiven Zerstörungen der Reinoldikirche während des Zweiten Weltkriegs hin. Hier gelte es zu überlegen, wie an diese Katastrophe, dann aber auch an die Kraft des Wiederaufbaus, im heutigen Kirchenraum erinnert werden könne. Dafür gebe es zwei Strategien, die in der Kombination sinnvoll erscheinen: Im Westteil der Kirche wurde ein neuer Raum mit Sichtbetonwänden eingefügt, in dem in das Westfenster das einzige erhaltene frühneuzeitliche Chorfenster eingefügt wurde. Dieses ist nun über eine eingebaute Metallgalerie zu erreichen und gleich einem Museumsstück zu bewundern. Hier ist es also die bewusste Absetzung von Alt und Neu, die eine Erinnerungskultur ermöglicht. Die historischen Langhauspfeiler wiederum, die im Westen die neu eingebaute Orgel flankieren, zeigen nach wie vor die Spuren und starken Beschädigungen des Zweiten Weltkriegs und sollen möglichst auch so mit ihren „Wunden“ erhalten bleiben. Um hier einen Gedenkort einzurichten, der möglichst allen Besucher*innen eine Teilhabe ermöglicht, bedarf es neben einer erklärenden Beschriftung eventuell auch noch einer zusätzlichen gestalterischen Markierung oder künstlerischen Intervention. Kirchenbau als Ort der liturgischen Anamnese Den Tagungsteil am Nachmittag in der Katholischen Akademie Schwerte eröffnete Stefanie Lieb mit einer kurzen Einführung zu den Strategien des Erinnerns und Vergessens bei Kirchentransformationen und wies darauf hin, dass der Abriss eines Kirchengebäudes die schnellste Methode wäre, um den Erinnerungsort „Kirche“ zu tilgen und den Prozess des Vergessens einzuleiten. Bei einer erweiterten Nutzung oder Umnutzung, ja selbst bei der Entwidmung eines Kirchengebäudes würden aufgrund des Erhalts von Ort (loci), architektonischem Raum und künstlerischer Ausstattung, noch Erinnerungsspuren weiterhin bestehen, die eine Erinnerung und damit Vergegenwärtigung von „Kirche“ ermöglichten. Prof. em. Dr. Albert Gerhards erläuterte daraufhin in seinem Vortrag zum „Kirchenbau als Ort der liturgischen Anamnese“, dass sich in den frühen Kultbauten des Christentums nach und nach eine Symbiose zwischen Raum, Liturgie und Bild entwickelt habe, die eine Verortung des Gedenkens konstituierte. In jedem Kirchenraum werde durch die Liturgie das Verhältnis zwischen memoria passiones und der communio sanctorum hergestellt. Gerhards stellte dann weiterhin eine chronologische Charakteristik der frühen christlichen Memorialbauten mit ihren Funktionen bis hin zu modernen Kirchengebäuden und ihrer Gedächtnisorte vor. Von Gedenkstätten und Spielplätzen Als erster Beitrag aus der Architekturpraxis zeichnete dann Architekt Dipl.-Ing. Franz-Jörg Feja die Planung und Umsetzung des bereits 20 Jahre zurückliegenden Umbaus der Kirche Heilig Kreuz in Dülmen mit der Grablege der sel. Anna Katharina von Emmerick und der Einrichtung einer Gedenkstätte nach. Anlass des damaligen Umbaus 2005 war die in demselben Jahr stattgefundene Seligsprechung der Mystikerin durch Papst Johannes II. Feja rekonstruierte nochmals die damalige Neukonzeption des Gottesdienstbereichs durch die Versetzung des Altar vom Stufenberg in die „Niederung“ des Kirchenschiffs und einer neuen Querausrichtung der Bestuhlung, so dass eine dichtere, Floß-artige liturgische Zone im Kirchenraum von Dominikus Böhm entstand. In den bereits von Böhm in den 1930er Jahren eingerichteten Lichtraum hinter dem Altar als Gedenkort für die sel. Anna Katharina wurde vom Büro Feja+Kemper die Grabstätte als eine einfache, etwas erhabene Bodenplatte angelegt, der mit dezentem Blumenschmuck und Kerzen gedacht wird. Unter der Grablege befindet sich die sogenannte Krypta, die von Feja+Kemper zum Museumsraum über die Mystikerin und ihre Kulturgeschichte umgebaut wurde. Zusammen mit der translozierten Kammer, in der Anna Katharina ihre letzten Jahre als stigmatisierte Kranke verbracht hat, wurde die Gedenkstätte in der Kirche eingerichtet, die durch einen separaten Eingang von außen zugänglich ist. Mark Etling vom Architekturbüro Meixner Schlüter Wendt aus Frankfurt am Main schloss daraufhin mit der Präsentation von Kirchumbau-Projekten des Büros an, das besonders durch die Berücksichtigung und die Choreografie von Erinnerungsspuren bekannt geworden ist. So stellte er das auch bereits 20 Jahre zurückliegende Projekt der Frankfurter Dornbusch-Kirche vor, deren Kirchenschiff durch Teilabriss verkleinert wurde, der dadurch verlorene Raum jedoch durch einen „Abdruck“ in der neuen Fassade innen und außen weiterhin gegenwärtig ist und der neu gewonnene Raum als Spiel- und Kirchplatz im Außengelände gestaltet wurde. Als aktuelle Kirchbau-Projekte präsentierte Etling dann weiterhin den momentan laufenden Umbau der Kirche St. Michael in Frankfurt von Rudolf Schwarz vor, die zu einem Kolumbarium umgenutzt werden wird und das jüngst abgeschlossene Projekt der Zusammenlegung von zwei Gemeinden in Offenbach und dem Umbau des ehemaligen Kirchenareals zu einem sich offen entwickelnden Komplex mit Kita, alter Kirche, neuem Gemeindezentrum und ausbaufähiger Openair-Kirche. Digitale Erinnerungsorte? Den Abschluss der Tagung bildete ein gemeinsamer Impuls vom Beratungsteam Immobilienstrategie des Erzbistums Paderborn, vertreten durch den Pressesprecher Benjamin Krysmann und Dipl.-Ing. Andreas Borgmann. Obwohl auch im Erzbistum große Transformationen im Bezug auf die Kirchengebäude bevorstehen, würde jeder Prozess durch eine offene Kommunikationsstruktur begleitet und die jeweilige Erinnerungskultur des Ortes und der Kirche berücksichtigt. Als ganz aktuelles Projekt wurde die Drohnen-Erfassung von Kirchengebäuden vorgestellt, denen man mit der Erstellung von 3D-Modellen auch digital ein Denkmal setzen könne. Die vielen Punkte zum Thema „Kirchen als Erinnerungsorte“ wurden durch eine sehr dynamische und anregende Abschlussdiskussion reflektiert und in nochmals neuen Perspektiven widergespiegelt.

Apl.-Prof. Dr. Stefanie Lieb

lieb@transara.de

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