Universität Bonn

Transformationslandschaften_DE

Interdisziplinärer Ansatz: Fallbeispiel West

Willich-Neersen: Pfarrzentrum St. Maria

Natürlich hatte bei der Gemeindezusammenlegung einmal mehr die benachbarte neugotische Pfarrkirche St. Katharina in Willich „das Rennen“ gegen den monumentalen Nachkriegskirchenbau gemacht. Und das, obwohl der Bau eine lange Transformationsgeschichte zu erzählen hat, die bis ins späte 17. Jahrhundert zurückreicht. In den 1960ern bot die Nachkriegskirche den notwendigen Platzbedarf, wirkte aber damals schon überdimensioniert und war spätestens ab den 2000er Jahren nicht mehr der bevorzugte Gottesdienstort. Nun also Filialkirche im Pfarrverbund GdG (Gemeinschaften der Gemeinden) und Verlust der eigenen Pfarrstelle. Dennoch gibt die Gemeinde St. Mariä Empfängnis ihren „Koloss“ an der mit historischen Wohnhäusern bestückten Straßenkreuzung nicht auf.

Zusammen mit einer engagierten Bürgerschaft vor Ort organisiert sie Fördergelder. Mit Unterstützung der Kommune wird das Gebäude ab 2013 teilumgebaut und eine neue Nutzung als Pfarrzentrum mit neu gestaltetem Kirchenraum, historischer Kapelle, Kleiderkammer, Gemeindebücherei und Pfarrräumen ermöglicht. Ein Teil der Räumlichkeiten ist an die Caritas vermietet.


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Innenansicht Bibliothek © TRANSARA
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Außenansicht Pfarrzentrum St. Maria © TRANSARA
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Transformationsgeschichte von St. Maria © TRANSARA | Anke Lieb-Kadge

Visualisierung St. Maria Willich-Neersen


Teilprojekt 1 _
Liturgiewissenschaft (kath.)

Ein gelungenes Beispiel der Rückbindung des Grundvollzugs von Kirche auf diakonischer wie
auf pastoraler Ebene!

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Blick zur Empore und Werktagskapelle © TRANSARA
  • Der liturgische Raum wurde auf die Dimensionen der Kirche aus dem 19. Jh. zurückverdichtet.
  • Er wurde im Geiste der nachkonziliaren Liturgie mit halbrunden Bänken neu gestaltet.
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Kleiderkammer © TRANSARA

Teilprojekt 2 _ Praktische Theologie (ev.)

Wo wird die Raumtrennung zur Membran, an der sich Caritaszentrum und Gottesdienstraum wechselseitig beeinflussen?

  • In den übergroßen Raum ziehen Praktiken ein, die das Christliche umfassender darstellen; die Kooperation mit der Caritas stärkt die Ressourcen der Gemeinde.
  • Ermöglichen die klare bauliche Trennung und die Festlegung des Gottesdienstraums auf die liturgische Nutzung auch Übergänge zwischen den Praktiken?

Teilprojekt 3 _
Kunstgeschichte

Intelligenter Umbau ermöglicht Erhalt einer großen Nachkriegskirche auf dem Land als Kulturzentrum!

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Außenansicht: Eingang © TRANSARA
  • Durch die Wiederöffnung ders historischen Kirchenschiffs zum verkleinerten Gottesdienstraum wird die lange Transformationsgeschichte räumlich erlebbar.
  • Das Langhaus der Nachkriegskirche verschwindet zwar durch den dreigeschossigen Einbau des Kulturzentrums, ist jedoch an der Außenhülle noch ablesbar.
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Blick ins Treppenhaus © TRANSARA

Teilprojekt 4 _ Architektur

Pragmatismus, gepaart mit hoher Gestaltqualität. Ein lebendiges Amalgam aus Kontinuitäten und Brüchen.

  •  Ein Kirchenbau als Palimpsest: Einschreibungen, Überschreibungen, Umdeutungen oder Auffüllungen.
  • Die Würde des Sakralen und die Lesbarkeit der Schichtungen gehen dabei nicht verloren, sie werden sogar gesteigert.

Teilprojekt 5 _ Immobilienwirtschaft

Der immaterielle Wert von Sakralbauten kann über erprobte kaufmännische Methoden quantifiziert werden.

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Arbeitsplatz in der Bibliothek © TRANSARA
  • Der Umnutzungsprozess mit Beteiligung der breiten Öffentlichkeit sowie die kostenlose Mitnutzung durch umliegende Schulen und Initiativen chaffen Akzeptanz in der Bevölkerung.
  • Das ist vor dem Hintergrund des „Social Impact“ äußerst positiv hervorzuheben.
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Gottesdienstraum mit Blick zur Taufkapelle © TRANSARA

Teilprojekt 7 _ Praktische Theologie (kath.)

Nicht jede Veränderung des gebauten Raumes führt zu Sakralraumtransformationen.

  • Aus Sicht einer diskurskritischen Praktischen Theologie zeigt sich: In einer Gesellschaft, in der Räume ein knappes Gut sind, ist die Öffnung von St. Maria für viele ein diakonischer Akt.
  • Der Sakralraum wurde verkleinert – allerdings als solcher nicht tangiert, er bleibt Sakralraum.
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