Universität Bonn

Transformationslandschaften_DE

Nicht Wände (per)formen einen Raum, sondern Handlungen

Kategorisierung und Analyse hybrider Nutzungsformen

Teilprojekt 1 Liturgiewissenschaft, Universität Bonn

Besondere Aufmerksamkeit wird der Interaktion von Personen und Räumen im Transformationsprozess sowie dem Einfluss des sakralen Raumes auf darin stattfindende Handlungen gewidmet. In der ersten Forschungsphase (2020 bis 2023) lag der Fokus dieses Teilprojekts auf der Erhebung und Kategorisierung von Datenmaterial. Verschiedene Ansätze der Betrachtung und Bewertung werden hinsichtlich ihres Verhältnisses zueinander (Schnittmengen) befragt.

In Kooperation mit Prof. Mariateresa Giammetti, Architekturprofessorin der Universität Federico II. in Neapel, werden in der zweiten Forschungsphase (2024 bis 2026) insbesondere die Auswirkungen architektonischer Raumteilungen auf liturgische Handlungsräume analysiert. Besondere Aufmerksamkeit wird der Interaktion von Personen und Räumen im Transformationsprozess sowie dem Einfluss des sakralen Raumes auf darin stattfindende Handlungen gewidmet. In der ersten Forschungsphase (2020 bis 2023) lag der Fokus dieses Teilprojekts auf der Erhebung und Kategorisierung von Datenmaterial. Verschiedene Ansätze der Betrachtung und Bewertung werden hinsichtlich ihres Verhältnisses zueinander (Schnittmengen) befragt. – In enger Zusammenarbeit mit der Kunstgeschichte sollen künstlerische Interventionen, die Transformationen initiieren, begleiten und /oder umsetzen, verstärkt in den Blick genommen werden.

Selbst wenn keine Liturgie mehr stattfindet, bleibt die sakrale Würde des Raums präsent. Sie überträgt sich auf die Interaktion zwischen Personen und Räumen im und auch nach dem Transformationsprozess.  

Von der neueren Raumsoziologie haben andere Disziplinen gelernt, dass Räume keine statischen Gegebenheiten sind, rein physikalische Container, sondern soziale Phänomene. Auf den Kirchenraum bezogen: Nicht die Wände allein machen den Raum aus, sondern die Beziehungen der Menschen, die sich darin befinden. Insbesondere spielen hier die sozialen Interaktionen eine Rolle; beim Kirchenraum in erster Linie die rituellen Vollzüge, die dank der ritual studies in den Fokus der traditionell text- und objektbezogenen historischen Liturgiewissenschaft gerückt sind. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen lassen sich Sakraltopographien sowohl des Innen- wie des Außenraums von der Spätantike bis in die Moderne rekonstruieren, die Kirchengebäude als Quasi-Subjekte im Kontext der jeweiligen Gesellschaft erscheinen lassen. Sie interagieren mit den jeweiligen playern und den durch sie vollzogenen Handlungen. Die so entstehende Resonanz eines sakralen Raums gilt es also in allen Transformationsformen zu berücksichtigen.


Die hier vorgestellte Systematik der vier Leitbegriffe Hybridisierung, Diakonisierung, Artifizierung und Profilierung stellt weder ein Gegenüber von Zuordnungen dar, noch versteht sie sich als vollständig.

Vielmehr handelt es sich um spezifische Transformationsmotoren, in denen eine enge Beziehung zur liturgischen Ebene des Raums erhalten bleibt oder bleiben kann. Dabei sind die Begriffe nicht als Grenzziehungen zu verstehen – in allen vier Bereichen finden sich bewusste Schnittmengen, die ausdrücken, dass es sich um unterschiedliche Betrachtungsansätze und nicht um strikte Zuweisungen handelt. Allen vier Kategorien wohnen dabei sowohl Aspekte der architektonischen, räumlichen Transformation als auch der strukturellen, systemischen Transformation inne.

Hybridisierung

- architektonisch-liturgische Perspektive

Das Interesse gilt hierbei im Wesentlichen der Auswirkung hybrider Nutzungen auf den liturgischen Raum. Ziel der Analyse sakraler Räume in hybrider Nutzung ist es, kritische Aspekte der Schnittstellen zwischen den Ebenen Liturgische Nutzung und Neue Nutzung sichtbar zu machen.

  • pastorale Raumteilung: Kolumbarien, Jugendkirchen
  • ökumenische Raumteilung: Simultankirchen
  • kategoriale Raumteilung: KiTa, Pfarrräume
  • kommunale Raumteilung: Kulturzentrum, Bibliothek, Versammlungsräume

Diakonisierung

- liturgisch-architektonische Perspektive

Diakonische/ Caritative Nutzungserweiterungen stellen eine traditionelle Nutzungsform christlicher Kirchen dar, die es neu zu entdecken gilt.

  • innerkonfessionelle Perspektiven (Kooperationen mit Gemeinden anderer Kulturkreise)
  • ökumenische Perspektiven (Simultannutzung, gemeinsame Angebote und Beratungen)
  • kulturelle Perspektiven (Ausstellungen, Konzerte, kulturelle Angebote)
  • diakonische Perspektiven (Spendenverteilung, Gespräche, gemeinsames Essen)

Hybride Raumteilungen und Diakonische Raumteilungen sind eng miteinander verwandt, jedoch nicht deckungsgleich. Dies drückt sich in der Gegenüberstellung der beiden Perspektiven architektonisch-liturgisch und liturgisch-architektonisch aus. Sie beziehen sich auf die unterschiedliche Gewichtung des jeweils Einen und Anderen in den beiden Kategorien.

Unter Hybridisierung sind überwiegend Konzepte architektonischer Raumteilungen aufgelistet; unter Diakonisierung finden sich überwiegend Konzepte religiös-systemischer Raumteilungen. 

Während bei hybriden Raumteilungen oft der Fokus auf architektonischer Neugestaltung liegt und die liturgische Nutzung mitunter untergeordnet wird, wird bei diakonischen Raumteilungen häufig eine Flexibilisierung der Raumausstattung angestrebt, um ein gleichberechtigtes Neben- und Miteinander zu ermöglichen.

Beide Transformationsperspektiven bergen viele Faktoren einer Neueinordnung der liturgischen Nutzung, die es im Detail noch herauszuarbeiten gilt. Liturgie und diakonische Nutzung profitieren häufig von den Möglichkeiten der Raumentgrenzung als auch von der Anwesenheit neuer Nutzungsaspekte. Liturgie und hybride Nutzung folgen oft einer strikten Zonierung, wodurch sich nicht zwingend neue Möglichkeiten ergeben, sondern mehr ein Sich-Neu-Arrangieren entsteht.

Artifizierung

- Kommunikations- und Kulturräume

Die Eigenschaft von sakralen Räumen als Schwellenräume zeigt sich im Spiel zwischen Kunst und Liturgie. Durch Eingriffe in die gewohnte Gestaltung und Ausstattung kann die Transzendenz- und Raumerfahrung der Besucher*innen aktiviert, verstärkt oder transformiert werden.

  • Dialogräume
  • Kunststationen
  • Kulturkirchen
  • Künstlerische Interventionen
  • Soziale Interaktionen

Profilierung

- Profilbildung in Gemeinden

Die Profilierung von Kirchenstandorten als Teil der Restrukturierung von Pfarreien und des Gebäudemanagements kann sowohl Synergien als auch Schwächungen beinhalten – gleichzeitig oder wechselseitig.

  • Citypastoral
  • Trauerpastoral
  • Kunstpastoral
  • Kinder- und Jugendpastoral
  • Verpachtung/Fremdnutzung
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